n manchen Fällen haben Städte oder Gemeinden ein außerordentliches Interesse daran, den Besitz an einem Grundstück zu erlangen, um öffentliche Projekte realisieren zu können. Dann steht ein Grundstücksverkauf an die Gemeinde im Raum, unter Umständen auch eine Enteignung. Was bedeutet es für den Eigentümer, wenn die Gemeinde sein Grundstück will?
Angenommen Sie besitzen ein wunderschön gelegenes Grundstück im Umland von München. Sie würden es gern Ihren Kinder vererben, damit diese darauf ein Häuschen bauen oder es irgendwann gewinnbringend mithilfe eines Immobilienmaklers in München verkaufen.
Oft klappt es, mit diesem lobenswerten Vorhaben, in seltenen Fällen lässt sich dies allerdings nicht realisieren, nämlich genau dann, wenn die Gemeinde einen baldigen Grundstücksverkauf forciert. Schnell steigt in dem Grundstückseigentümer nun das Schreckgespenst Enteignung auf. Aber gibt es diese überhaupt in Deutschland? Darf die Gemeinde einen Eigentümer dazu drängen, ein Grundstück zu verkaufen? Dies ist ein schwieriges Thema, dem wir uns mit den folgenden Ausführungen nähern wollen. Dabei ist zu beachten, dass stets der Einzelfall zu betrachten ist und unbedingt bei Streitfragen ein kundiger Jurist für öffentliches Baurecht und Verwaltungsrecht zurate gezogen werden sollte.
Gedrängt zum Grundstücksverkauf an Gemeinde: angedrohte Enteignung
Es ist durchaus möglich, dass eine Gemeinde einen Grundstückseigentümer zum Verkauf drängt. Ansonsten drohe ihm die Enteignung. Nach Art. 14 Abs. 3 GG kann eine Enteignung lediglich geschehen, wenn sie dem Allgemeinwohl dient. Nach dem deutschen Grundgesetz gibt es daher den Tatbestand der Enteignung, aber der Gesetzgeber lässt offen, was dies im Detail heißt. Schließlich präsentierte 1981 der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts eine Definition des Begriffs: „Die vollständige oder teilweise Entziehung konkreter subjektiver Eigentumspositionen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben.“ Nachzulesen ist dies in BVerfGE 59, 300. Im Allgemeinen liegt eine Enteignung immer dann vor, sobald das Grundeigentum von der öffentlichen Hand für eine öffentliche Aufgabe dienendes Vorhaben dem Eigentümer entzogen wird. Eine Enteignung ist im Regelfall entschädigungspflichtig, wobei die Entschädigung „unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten" zu bestimmen ist. Die Höhe der Entschädigung kann u. U. subjektiv oder objektiv unangemessen erscheinen. Im Streitfall steht der Rechtsweg vor ordentlichen Gerichten offen.
Wann droht eine Enteignung?
Enteignungen im rechtlichen Sinne finden in Deutschland nicht sehr häufig statt. Manchmal kommen sie jedoch vor. Ein typisches Beispiel ist: Die Gemeinde benötigt ein privates Grundstück für den Bau einer öffentlichen Straße. Der Straßenbaulastträger kann nun ein Enteignungsverfahren einleiten, um das Areal zu erhalten, falls der Eigentümer nicht verkaufswillig ist.
Grundstücksverkauf als Alternative
Der in unserem Beispiel erwähnte Straßenbaulastträger wird nicht im ersten Schritt ein Enteignungsverfahren anstreben. Für gewöhnlich tritt die Gemeinde an den Eigentümer des Grundstücks heran und schlägt einen Verkauf des Areals vor. Wenn dieser einen freihändigen Erwerb ausschließt, kann es zum Enteignungsverfahren kommen.
Hinweis: Verkaufen Sie Ihr Grundstück an die Gemeinde bewusst und freiwillig, handelt es sich um einen regulären Kaufprozess.
Hat die Gemeinde stets ein Vorkaufsrecht?
Im deutschen Recht existiert das sogenannte gemeindliche Vorkaufsrecht. Es gibt der jeweiligen Gemeinde das Recht, ein Areal mit dem Kaufvertragsinhalt zu kaufen, zu dem es an eine dritte Partei verkauft werden sollte, wenn die Gemeinde das Grundstück zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben benötigt. Damit die Gemeinde von diesem Recht Gebrauch machen darf, ist das Vorliegen eines Kaufvertrags erforderlich. Es wird nicht ausgeübt im Rahmen von Schenkungen, Tauschverträgen, Erbauseinandersetzungen, Zwangsvollstreckungen oder einem Konkurs.
Bei jedem regulären Immobilien- oder Grundstücksverkauf, z. B. zwischen zwei privaten Parteien, muss der Notar nach der Vertragsunterzeichnung daher obligatorisch Vorkaufsrechte prüfen. Darunter fällt auch die Prüfung, ob die Stadt oder Gemeinde ein Vorkaufsrecht haben und ausüben wollen und der Notar muss eine Verzichtserklärung von der öffentlichen Stelle einholen, bevor der Eigentumsübergang im Grundbuchamt eingetragen werden kann. Erklärt die Gemeinde ihren Verzicht, was normalerweise der Fall ist, kann der Eigentumsübergang vollzogen werden. Allerdings kann die Gemeinde an dieser Stelle auch auf ihr Vorkaufsrecht bestehen, dann liegt der aktuelle Verkauf bis zur Klärung auf Eis, und sind die Argumente der Gemeinde stichhaltig, kann sie vorkaufen.
Beachtenswert ist hierbei, dass die Gemeinde allerdings nur ein allgemeines Vorkaufsrecht an bestimmten unbebauten und bebauten Grundstücken innerhalb des Gemeindegebietes hat. Hier sind ein paar Beispiele, für welche Flächen dies zutreffen kann:
- Nach § 30 BauGB Grundstücke innerhalb des Bebauungsplans, welche für die Verwendung für öffentliche Zwecke fixiert wurde. Dies können Entsorgungsflächen, Grünflächen, Versorgungsflächen etc. sein.
- Nach §§ 45 ff. BauGB Flächen, die in einem Umlegungsgebiet liegen.
- Nach §§ 136, 165 ff. BauGB Grundstücke, die sich in einem ausgewiesenen Sanierungsgebiet und städtebaulichen Entwicklungsbereich befinden.
- Areale, für die im Flächennutzungsplan eine Wohngebietsnutzung oder Wohnbauflächennutzung verzeichnet ist.
Wie an diesen Beispielen zu sehen ist, gibt es bestimmte Regelungen für das Vorkaufsrecht der Gemeinde.
Wie übt die Gemeinde das Vorkaufsrecht aus?
Übt die Gemeinde ihr Vorkaufsrecht aus, tritt sie als Grundstückskäuferin in den bereits vorhandenen Kaufvertrag ein. Sie übernimmt die darin fixierten Konditionen. Dies trifft ebenfalls auf den Kaufpreis zu. Der Kommune wird allerdings ein Wahlrecht zugesprochen: Sie kann das Areal zum ermittelten Verkehrswert erwerben, also evtl. günstiger als im Vertrag vorgesehen. Allerdings hat der Grundstücksverkäufer in diesem Fall das Recht, vom Kaufvertrag insgesamt zurückzutreten.
Wann darf die Gemeinde das Vorkaufsrecht anwenden?
Das Vorkaufsrecht darf die Gemeinde nur nutzen, sobald es nach § 24 Abs. 3 BauGB das Allgemeinwohl rechtfertigt. Kurzum: Es muss ein öffentliches Interesse bestehen. Dies inkludiert eine Limitierung der Ausübung des Vorkaufsrechts, denn das anvisierte Areal muss seinen Zweck zugeführt werden. So müsste beispielsweise ein Wohnbaugrundstück an Bauwillige veräußert werden.
Habe ich als Verkäufer einen Nachteil, wenn die Gemeinde mein Grundstück kauft?
Kauft die Gemeinde im Rahmen des Vorkaufsrechts das Grundstück, hat dies für den Verkäufer keinen finanziellen Nachteil. Wie bereits erwähnt, übernimmt die Gemeinde den kompletten Kaufvertrag und damit auch den Preis. Dies wird ausdrücklich in § 28 BauGB mit Hinweis auf die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches bestimmt. Aus diesem Grund stellt es häufig kein Problem dar, sein Areal an die Gemeinde zu veräußern. Oft treten diese gezielt an die Eigentümer von attraktiven Grundstücken heran, um beispielsweise dem erhöhten Baubedarf an Immobilien wie Wohnungen und Einfamilienhäusern nachzukommen.
Prinzipiell ist sogar der umgekehrte Weg denkbar. Angenommen man hat ein Grundstück zu verkaufen und es könnte interessant für die Gemeinde sein, kann es sich lohnen, direkt an die entsprechenden Gemeindestellen heranzutreten und abzuklären, ob die Gemeinde ein generelles Interesse an einem Kauf hat. Eventuell lässt sich so schnell und zu guten Konditionen ein Verkauf einleiten, bei dem man auf die üblichen Verkaufsmaßnahmen wie Werbung usw. verzichten kann.